Manuel Herz
DER ARCHITEKT MANUEL HERZ
INTERVIEW
WAS BEDEUTET DAS THEMA ARCHITEKTUR FÜR SIE?
Das Wunderbare an der Architektur ist, dass man auf unterschiedlichsten Ebenen arbeitet. Es ist die öffentlichste gestalterischste Tätigkeit, die man sich vorstellen kann. Man hat sofort mit Öffentlichkeit und der allgemeinen Bevölkerung zu tun, egal mit welcher Aufgabe und wo man als Architekt arbeitet. Es ist fantastisch, da wir die Stadt mitgestalten können. Was gibt es Schöneres? Die Gestalt der Stadt zu prägen ist wichtig und gibt dem Architekten auch eine Verantwortung.
Wenn man Architektur ernst nimmt, dann fließen auch philosophische, politische, gesellschaftspolitische Dimensionen in die Tätigkeit mit ein. Genau das finde ich spannend! Für mich ist es der beste Beruf und ich kann mir nicht vorstellen, einen anderen zu machen.
WIE GEHEN SIE EIN SOLCHES PROJEKT WIE EHRE & LIEBIG AN?
Alle meine Projekte wachsen aus einer sehr präzisen Beobachtung des konkreten Ortes und der konkreten Bauaufgabe. So war es auch hier in Ehrenfeld.
Die erste Beobachtung war, dass der Ort genau die Schnittstelle ist, an dem zwei Stadtteile – Ehrenfeld und Nippes - zusammenkommen. Unser Grundstück – bislang weitestgehend unbebaut - ist genau jene Lücke, die geschlossen werden muss, um beide Stadtteile wieder zu verbinden. Beide Bezirke sind Ende des 19. Jahrhunderts entstanden und sind stark geprägt von ihrer Geschichte und der typischen Blockrandbebauung. Deshalb kommt diesem Projekt auch eine Wichtigkeit zu, die über das eigentliche Grundstück hinausgeht, da Ehrenfeld und Nippes mit unserem Projekt wieder zusammenwachsen werden. Anschließend haben wir uns angeschaut: Wie sieht Ehrenfeld aus? Wie sieht Nippes aus?
Wir haben uns die Straßen und die bestehende Bebauung angeschaut. Sozusagen den Geist dieser Stadtteile, die DNA, das, was sie ausmacht und haben das architektonisch destilliert. Es ging uns um eine Untersuchung der Dachformen, der Fassadenmaterialien, der Hofbebauungen, und der Nutzungen. Das sind Qualitäten, die wir aus dem städtebaulichen Kontext ziehen, und die wir in eine zeitgenössische und zeitgemäße Form bringen. So ist der Entwurf entstanden.
WAS IST FÜR SIE DAS BESONDERE AM PROJEKT EHRE & LIEBIG?
Was ich an dem Projekt faszinierend finde, ist die starke Durchmischung und Vielfältigkeit, die wir dort an einem Ort zusammenbringen. Das erzeugt auch eine hohe Komplexität und macht das ganze Projekt anspruchsvoll. Der Entwurf hat eine klare städtebauliche Gliederung: Es gibt zum einen eine Blockrandbebauung und zusätzlich eine Hofbebauung. Beide Elemente unterscheiden sich deutlich.
Die Blockrandbebauung hat eine Gesetzmäßigkeit und eine in sich geschlossene Logik und die Hofbebauung eine andere. Wir planen eine große Vielfalt von Wohnungstypologien. Von kleinsten Studios bis zu großen Wohnungen. Von Wohnungen, die loftähnlich auf einer Etage sind, über Maisonettenwohnungen oder großzügigen Wohnungen über zwei Ebenen bis hin zu Stadthäusern und einige Bungalows. Wir haben also eine äußerst große Bandbreite und ich rechne es BPD hoch an, dass sie das nicht nur akzeptiert hat, sondern mit Freude aufgegriffen hat - das hätte nicht jeder Bauherr so gemacht.
Wir werden eine Wohnbevölkerung haben, die ein sehr breites Spektrum unserer Gesellschaft abdecken wird und das ist toll. Genau das meine ich mit Heterogenität. Dort entsteht wirklich ein Stück Stadt, weil das Projekt die Vielfältigkeit hat, die unsere Stadt so städtisch und so lebenswert macht. Diese urbane Qualität wird dort entstehen und das ist gar nicht so einfach, wenn man es mit anderen Objekten vergleicht. Das ist an diesem Projekt sehr besonders und das finde ich toll.
"Im Innenhof gibt es mehrere Gassen, die nicht nur die Zugänge zur jeweiligen Wohnung sind, sondern wo sich auch das Leben abspielen wird. Da kann man sich auf eine Parkbank setzen und abends ein Glas Rotwein trinken."
GIBT ES EINEN ZEITPUNKT BEI DER UMSETZUNG DES PROJEKTS, AUF DEN SIE BESONDERS GESPANNT SIND?
Es ist immer toll, als Architekt in den entstehenden Gebäuden und Räumen zu stehen. Man glaubt, man weiß wie es sein wird und wenn man dann das erste Mal durch die Räume läuft, ist man doch überrascht. Es ist ein ganzes Viertel, das da entsteht und ich freue mich, dort bald durchzulaufen und diese urbane Qualität das erste Mal zu erleben.
SIE HABEN ES BEREITS ANGESCHNITTEN, ABER WAS MACHT IN IHREN AUGEN DEN STANDORT AUS UND WIE WIRD SICH DAS BAUVORHABEN DORT IN ZUKUNFT EINFÜGEN?
Während noch vor wenigen Jahren Neubauviertel in der grünen Peripherie als erstrebenswerte Wohnorte galten, hoffe ich, dass wir alle erkannt haben, dass die Stadt und die innenstadtnahen Stadtteile lebenswerte Wohnorte sind, wo wir - egal ob als Familie oder als Alleinstehende, egal ob jung oder alt - sehr gut leben können, weil man dort alle Bedürfnisse des Alltags erfüllen kann. Man kann seinen Arbeitsplatz, seine Einkaufsorte, die Schule oder Kindergarten und Freunde in einem Umfeld von 500 oder 1.000 Metern finden.
Wir wollen in Ehrenfeld ein Projekt realisieren, das diese Qualität stärkt. Wir planen Wohnungen, einen Kindergarten, Büros, auch Geschäfte oder Praxen. Das ist eine Vielfalt, die dazu kommt, und die Ehrenfeld sehr attraktiv macht.
Ich vertrete das Credo, dass wir dort bauen sollten, wo schon gebaut ist – Dort Stadt entstehen lassen, wo schon Stadt ist. Damit wir nicht noch mehr Boden versiegeln. Wir brauchen keine neue Stadt außerhalb Kölns zu bauen, das macht meiner Meinung nach keinen Sinn. Wir bauen dort, wo die Stadt schon existiert, wir füllen die Brachen und die Lücken und machen das auf eine anspruchsvolle und urban-durchmischte Art. Ich glaube, das ist ein Modell für die Zukunft und deshalb auch sehr tragfähig. Was die Zukunft angeht, ist natürlich die Nachhaltigkeit ein Thema. Wie gehen wir mit unserer Umwelt um? Wie gehen wir mit unseren Ressourcen um? Wie gehen wir mit unserem sozialen Gefüge um? Das sind immens wichtige Fragen.
Die letzten Jahre haben uns vor Augen geführt, wie wichtig die Themen Umweltschutz, Nachhaltigkeit und ressourcenschonendes Leben ist. Zu all dem kann die Architektur etwas beitragen, muss sogar etwas beitragen. Aber über den ressourcen-schonenden Umgang hinaus, muss es eine Architektur sein, die Menschen zusammenbringt und nicht trennt. Es muss eine Architektur sein, die das soziale Gefüge stärkt.
WIE WIRD SICH DIESES ZUSAMMENLEBEN IM ALLTAG ZEIGEN?
Insgesamt spielt der Außenraum natürlich eine große Rolle, das ist ein Thema, bei dem unser Projekt eine besondere Qualität entwickeln wird. Wir wollen eine gewisse Verbindung, aber auch einen fließen Übergang zwischen Außen und Innen schaffen.
Die Fassade wird aus glasierter Keramik sein, was ein sehr schönes Material ist. Glasierte Keramik hat eine wunderbare Vielfältigkeit, da sie sich ständig mit dem umgebenden Licht verändert und damit eine ganz besondere Qualität liefert.
Im Innenhof gibt es mehrere Gassen, die nicht nur die Zugänge zur jeweiligen Wohnung sind, sondern wo sich auch das Leben abspielen wird. Da kann man sich auf eine Parkbank setzen und abends ein Glas Rotwein trinken. In den Gassen wird ein junges Kind seine ersten Schritte machen und später auf dem Dreirad um den Block sausen, während das ältere Pärchen einen verliebten Spaziergang unternimmt. Es sollen Wohngassen werden, in der sich ein Teil des öffentlichen und des privaten Lebens abspielen kann.
In der Blockrandbebauung haben wir zum Teil die sogenannte Laubengang-Typologie geplant, deren Qualität man zur Zeit wiederentdeckt, nachdem sie ein bisschen in Vergessenheit gera-ten ist. Jetzt erkennen wir, dass der Laubengang auch eine Erweiterung des Wohnraums nach außen ist. Tätigkeiten des Alltags, wie ein Buch lesen, einen Kräutergarten anlegen oder sich zum Schachspiel treffen, kann in den Außenraum verlegt werden. Dadurch findet auch ein sozialer Austausch statt, nicht nur auf Erdgeschossgrund, sondern auch in der Höhe, sodass es wirklich ein dreidimensional bewohntes und bepflanztes Gebäude ist.
Der Außenraum soll nicht nur Zugang oder Zirkulationsfläche sein, sondern er soll eine eigene Aufenthaltsqualität haben, die man auch genießen kann. Das bereichert das städtische Leben - wir sind mitten in der Stadt, wir sind ein sehr urbanes Quartier und genau dafür steht das Projekt.